Am Anfang konnte Zhou Lei sein Glück kaum fassen. Der Chinese mit der markanten Hornbrille hatte im vergangenen Herbst begonnen, Aktien zu kaufen. Die Kurse waren zuvor kontinuierlich gestiegen, und es war kein Ende abzusehen. “Irgendwie schien alles möglich”, sagt der Vizechef einer Unterhaltungssendung der Shanghai Media Group, eines der größten Medienunternehmen der Volksrepublik. Sein Büro liegt an der Dongfang Road in Pudong, dem neuen Hochhausviertel der chinesischen Küstenmetropole. Die glitzernden Glasfassaden ließen ihn vom großen Reichtum träumen.
Heute ist von seiner Begeisterung für die Börse nicht mehr viel übrig. Zhou hat rund 13 Millionen Renminbi investiert, umgerechnet etwa 1,9 Millionen Euro, und einen Großteil davon verloren. Es ist sein Erspartes und das seiner Familie, das er im jüngsten Aktiencrash verbrannte. Doch nicht nur das. Zusätzlich hatte sich der junge Chinese Geld geliehen, um noch mehr investieren zu können. “Ich bin wirklich verzweifelt”, sagt der 28-Jährige. Und er ist nicht allein: Knapp die Hälfte seines engeren Freundeskreises, zehn junge Chinesen, haben ebenfalls Kredite aufgenommen, um Aktien kaufen zu können. “Sie haben fast alles verloren, innerhalb der letzten drei bis vier Wochen, viele sind jetzt pleite und müssen die Kredite abzahlen.”
Zhou und seine Kumpels sind nur einige von Millionen Chinesen, die in den vergangenen Monaten auf Pump an den Börsen spekuliert haben. Und wie bei ihnen, ist dies bei Zigtausenden anderen schiefgegangen, seit die Kurse in Shanghai und Shenzhen binnen weniger Wochen um 30 Prozent abgestürzt sind. Insgesamt gingen Milliarden verloren. Jetzt kämpfen die Anleger mit den Folgen, und so mancher Beobachter befürchtet, das Drama könne auf Chinas Konjunktur durchschlagen. Denn wer viel Geld verloren hat, der konsumiert weniger.
Ginge es dabei nur um China, die zweitgrößte Volkswirtschaft der Erde, wäre dies vielleicht noch verkraftbar. Die chinesische Börse ist noch nicht so stark mit den globalen Märkten verwoben. Tatsächlich jedoch droht in der größten Wirtschaftsnation der Welt, in den USA, Ähnliches, und das in einem weit größeren Ausmaß. Warum das so ist, lesen Sie in der Geschichte, die ich mit meinen Kollegen Frank Stocker und Holger Zschäpitz für die WELT am Sonntag geschrieben habe.