Die Shopping Mall Jubilee Place ist das Kellergeschoss unter den glitzernden Bankentürmen von Canary Wharf, dem wichtigsten Finanzzentrum Europas. Hier können die über 100.000 Angestellten des Finanzviertels in der Mittagspause und nach Feierabend shoppen gehen. Sie kaufen sich neue Anzüge, testen bei Sweaty Betty Yogamatten oder füllen bei Waitrose ihren Kühlschrank. Der Supermarkt richtet sich gezielt an vermögende Kunden und hat dementsprechend ein großes Sortiment – bis hin zum Champagner.
Bis auf wenige Ausnahmen sind in der Mall unter den Bankentürmen keine Billigmarken zu finden. Die gut situierten Kunden im Zentrum des Finanzviertels brauchen keine Discounter. Lidl und Aldi können sich die teure Ladenmiete in Canary Wharf also sparen. Tesco dagegen, der britische Supermarktgigant, muss aufgrund seiner Größe überall vertreten sein, auch in Canary Wharf. Der Tesco-Laden ist nur wenige Hundert Meter vom Luxus-Supermarkt Waitrose entfernt, das Sortiment lässt sich mit “sowohl als auch” beschreiben: Tesco bietet an diesem Tag Suppen und Pizzen für die Hälfte an. Gleichzeitig wirbt der Markt mit sogenannten Tesco-finest-Produkten; mit New Yorker Käsekuchen, griechischem Moussaka-Auflauf und einer großen Käseauswahl. Eine Flasche Champagner, Dom Pérignon, kostet stolze 114,99 Pfund, umgerechnet 155,81 Euro, die Sorte Krug-Grande Cuvée ist mit 129,99 Pfund, 176,12 Euro, noch etwas teurer.
Genau das – das “sowohl als auch”, der Fokus auf billig und teuer zugleich – ist der Grund für die Krise, in der Tesco seit einigen Jahren steckt. Großbritanniens Verbraucher verstehen nicht mehr, wofür die größte Kette des Landes eigentlich steht. Seitdem die deutschen Discounter Aldi und Lidl im Vereinigten Königreich expandieren, wissen die Konsumenten, dass Tesco längst nicht mehr der billigste Anbieter ist, auch wenn Aktionen wie “The Big Price Drop” dies glauben machen wollen.
Die drittgrößte Supermarktkette der Welt leidet in ihrem Heimatmarkt zunehmend unter der mangelnden Profilschärfe. Konzernchef Dave Lewis muss das Unternehmen neu ausrichten und den Verfall des Marktanteils stoppen. Bei der Neuerfindung der Marke soll ihm auch ein neuer Aufsichtsratschef helfen. Wie am Dienstag bekannt wurde, wird John Allan, bislang beim Baukonzerns Barratt Developments, am 1. März den Posten des Tesco-Chairmans übernehmen. In meiner aktuellen Geschichte aus der WELT lesen Sie, wie Tesco in die Krise schlitterte – und was Konzernchef Dave Lewis jetzt tun muss.