Lixin Chen atmet tief ein. Sein Brustkorb wird weiter und weiter. Chen streckt die Arme aus. Es ist warm, knapp 25 Grad, die Sonne scheint. Vielleicht ist es der letzte warme Tag in diesem Jahr. Chen atmet; als habe er lange keine Luft bekommen, als wolle er nie wieder ausatmen. „Tut das gut!“, sagt der Chinese und lächelt. Auch seine Tochter Rose hat ein Lächeln im Gesicht. Die Fünfjährige mit dem Pferdeschwanz zuppelt ungeduldig am Hosenbein ihres Vaters. Sie will los und nachschauen, was der Kohl auf dem kleinen Feld macht, ob die Rüben schon reif sind. „Papa, komm jetzt“, drängelt sie und läuft vor, hin zu der umzäunten Fläche, auf der ihr Vater Gemüse anbaut, auf der die kleine Hütte steht.
Lixin Chen schaut sich um. Parzellen, Hütten, Viehwiesen, nur am Horizont ein paar Häuser. Hinten am Teich grast ein Pony, Schafe liegen träge in der Sonne, der Bambus rauscht im warmen Wind. „Für meine Tochter ist es wunderbar, dass wir am Wochenende hierher kommen können“, sagt er. Über 200 Chinesen kommen wie Lixin Chen regelmäßig zum „Ecoland Club“, Shanghais erstem Schrebergarten, rund 50 Kilometer vom Stadtzentrum entfernt. Sie entfliehen dem Lärm und dem Smog der Großstadt und kommen, um Gemüse zu anzupflanzen, zu kochen und ihren Kindern zu zeigen, dass die Aubergine, die sie zu Mittag essen, nicht im Kühlregal wächst.
Lixin Chen ist nur einer von vielen Chinesen, die gesünder leben wollen und die bereit sind, dafür zu zahlen. Im Reich der Mitte boomt die Bio-Industrie – mit Schrebergärten, gesunder Ernährung, Coachings und chemiefreien Shampoos lässt sich viel Geld verdienen. Längst sind es nicht mehr nur die Laowai, die Ausländer, die sich Sorgen um ihre Gesundheit machen. In meiner aktuellen WELT-Geschichte lesen Sie, warum gerade deutsche Schrebergärten so gut in Shanghai ankommen.