Steve Dagworthy kann sich noch gut an den Moment erinnern, als er wegen eines Finanzdeliktes zu sechs Jahren Gefängnis verurteilt wurde. “Ich dachte, ich höre nicht richtig”, sagt der heute 50-Jährige. Dabei überraschte ihn nicht so sehr die Haftstrafe an sich – Dagworthy arbeitete als Broker in der City of London und war an einem drei Millionen Pfund schweren Schneeballsystem beteiligt. Er ahnte, dass er dafür ins Gefängnis gehen würde.
Was ihn erstaunte, war das Verhalten seines Anwalts. “Er sagte: Es wird schon alles gut gehen, bald sind Sie im offenen Vollzug”, erinnert sich Dagworthy, ein klein gebauter Mann mit müdem Gesicht, “und zack war er weg, mein Anwalt. Ich stand da im teuren Anzug und in Gucci-Schuhen und wurde abgeführt.” Dagworthy wusste nicht, was ihn im Gefängnis in Hollesley in Suffolk im Osten Englands erwarten würde, wie er sich dort verhalten sollte. “Es ist schwer, jemandem zu erzählen, wie Gefängnisse sind, wenn Sie selber noch nie da gewesen sind.”
Als er nach drei Jahren vorzeitig aus der Haft entlassen wurde, gründete Dagworthy deshalb mit anderen Ex-Häftlingen und einigen früheren Gefängnismitarbeitern eine Beratungsfirma namens Prison Consultants. Das Unternehmen mit Sitz in London steht Verurteilten vor, während und nach ihrer Haftstrafe zur Seite. Das Geschäft, so Dagworthy, wächst kräftig, noch ist er nach eigenem Kenntnisstand der Einzige, der in Europa diese Dienste anbietet. Dabei gibt es vor allem in Großbritannien viele gutbetuchte Kriminelle, die beraten werden wollen, wenn ihr Anwalt sein Pulver verschossen hat. “Unter unseren Kunden sind viele Banker”, sagt Steve Dagworthy, “die können sich das leisten.” Angesichts der laufenden Ermittlungen im Zuge der Libor- und Forex-Manipulationen rechnet er weiter mit steigenden Kundenzahlen. Ich habe Steve Dagworthy für die WELT interviewt.