Deutsche Gründlichkeit gilt für den Maschinenbauer Trumpf auch in China. In der Fabrikhalle ist es sauber, das Licht der Neonröhren spiegelt sich in dem grauen Linoleumboden. Blaue Klebestreifen zeigen an, wo die Geräte und die Paletten stehen sollen. An der Wand gegenüber hängen Diagramme, die anzeigen, wie hoch die Produktivität in diesem Monat und in dieser Woche war. „Das aktualisieren wir jeden Tag“, sagt Peter Hafner, Produktionsdirektor bei Trumpf China. Die Kurve zeigt nach oben, offensichtlich steigt die Produktivität. Hafner hat ein Auge darauf, dass seine Fabrikhalle die Standards einhält, die auch für die Trumpf-Standorte in Deutschland gelten. Dazu gehört ein Produktionsplan, auf dem in rot und grün eingezeichnet wird, an welchen Stellen der Fabrik der Ablauf hakt und wo alles glatt geht. Heute klebt bei der Logistik ein roter Punkt. „Da muss ich gleich mal nachschauen“, sagt Peter Hafner, „das kann ja so nicht bleiben.“
Hafner mag es nicht, wenn es in seiner Fabrik klemmt oder unaufgeräumt aussieht. Bei Trumpf geht es sehr deutsch zu – und das, obwohl die Fabrik in Taicang, rund 50 Kilometer nördlich der Wirtschaftsmetropole Shanghai in China, steht. In ganz Taicang geht es ziemlich deutsch zu: Trumpf ist bei weitem nicht das einzige deutsche Unternehmen, das sich hier in der „Taicang Development Area“ angesiedelt hat. Über 180 deutsche Unternehmen sind inzwischen in der 500.000-Einwohner-Stadt in der Jiangsu-Provinz vertreten. Taicang ist deshalb so etwas wie ein deutsches Gewerbegebiet mitten in China, eine kleine deutsche Musterstadt. Die Straßen sind sauber, flache zweistöckige Wohnhäuser mit Holzfassaden erinnern an deutsches Fachwerk. Es gibt deutsche Restaurants, deutsches Weißbier, ein Oktoberfest. Die deutschen Firmen gehen kollegial miteinander um: Viele haben ein sogenanntes Gentlemen’s Agreement unterzeichnet, wonach es verboten ist, sich untereinan- der die Mitarbeiter abzuwerben. „Wir helfen uns gegenseitig“, sagt Peter Hafner. Ab und zu leihen sie sich in Taicang untereinander sogar die Maschinen und die Werkzeuge aus.
Zu verdanken hat die Stadt ihren Erfolg bei den Deutschen dem Herdentrieb der Mittelständler: Nachdem mit Kern Liebers, einem Zulieferer für die Auto- mobil- und Textilindustrie, im Jahr 1993 das erste deutsche Unternehmen in Taicang die Produktion aufnahm, folgten schnell weitere Firmen aus Deutschland, vor allem aus Baden-Württemberg, Bayern und Nordrhein-Westfalen. Jedes Jahrwuchs die Zahl der deutschen Unternehmen, von einer Handvoll auf 50, von 50 auf 100, von 100 auf 150. Für viele kleinere deutsche Unternehmen war es beruhigend zu wissen, dass man in China, diesem fremden Land, deutsche Nachbarn und deutsche Standards erwarten konnte. Erfahren Sie hier, was die deutschen Unternehmer alles tun, um ihre Mitarbeiter in Taicang zu halten: Die deutsche Musterstadt mitten in China.