Ein Abend in Harbin. Die Stadt im Nordosten Chinas ist bunt angestrahlt, Neonröhren in pink, grün und violett lassen den Anblick bei Tageslicht vergessen. Die Fassaden im Stadtzentrum bröckeln vor sich hin, Risse ziehen sich wie Adern durch den Putz. Müllsammler wühlen in den Tonnen auf der Straße nach leeren Plastikflaschen, vor einem Regierungsgebäude steht eine Mao-Statue, silbern angestrichen.
Auch die Guoheli Avenue macht auf den ersten Blick nicht viel her. Billige Läden, dunkle Hauseingänge, eine Shopping-Mall mit gelblich schimmerndem Plastikvorhang im Eingangsbereich. Trotz der späten Uhrzeit drängen noch immer viele Kunden hinein. Innen drin herrscht Hochbetrieb: Junge Chinesinnen probieren Bulgari-Parfüm aus, im Supermarkt im Untergeschoss kaufen die Harbiner noch schnell die Zutaten für das Abendessen ein. Die in Plastik eingeschweißten Hühnerfüße kosten 12,50 Renminbi, etwa 1,50 Euro, dazu gibt es organisch angebautes Gemüse, Austern, handgemachte bunte Nudeln und Pinienkerne, für 106,50 Renminbi die Packung, rund 13,30 Euro.
Sieben Stockwerke hat das Kaufhaus, von Mode über französische Weine bis zu Fissler-Kochtöpfen aus Deutschland scheint es alles zu geben, was die vermögende Mittelschicht der Stadt so braucht. Im Supermarkt steht ein Mann im Anzug und isst von dem Brot, das offen in Weidenkörben liegt. Guangchuan He kaut langsam, drückt mit den Fingern auf dem Brot herum, riecht an ihm. „Es muss wirklich alles gut sein, was wir hier verkaufen“, sagt He, „das ist der Schlüssel zum Erfolg.“ Guangchuan He ist Manager des Grand Shopping Centers und überzeugt sich jeden Tag vor Ort, ob der Laden läuft. Mister He, wie ihn seine Mitarbeiter nennen, ist stolz, denn seine Mall macht auf den Quadratmeter gerechnet mehr Umsatz als Harrods in London. “Ja, das denkt man nicht, was?” sagt er und grinst. Hier lesen Sie, warum Guangchuan He mit seinem Kaufhaus Erfolg hat – und warum die größe Mall der Welt in China floppte: Einkaufen bei Mister He, EURO am Sonntag vom 8./9. Juni 2013.