Peng. Peng. Peng. Es rumst und knallt, erst leise und unregelmäßig, dann durchgehend, wie Gewehrsalven. Nach einigen Minuten wird daraus ein Dauerfeuer; ohrenbetäubender Lärm, als würde ein Haus einstürzen. Es heult und zischt, der Nachthimmel über den Hochhäusern ist hell erleuchtet. Staub und Qualm hängen in den Straßen. Die Luft riecht verbrannt. So vertreiben die Einwohner von Dandong im Norden Chinas das alte Jahr und begrüßen das neue, das Jahr der Schlange – und das schon vor der Zeit: Über eine Stunde vor dem Jahreswechsel in der Nacht auf Sonntag beginnt das Feuerwerk. „Guo nian hao, guo nian hao“, frohes Neues, ruft Ibell Liu und umarmt ihren Onkel. Der lacht, sagt „Xin nian kuai le“, happy new year, und drückt seine Nichte fest an sich. Er eilt ins Haus, holt mehr Böller. Es staubt und rumst, als er sie zündet. „Viel Krach bringt viel Glück“, sagt Ibell Liu und lacht. Überall leuchten jetzt die Raketen am Himmel, die ganze Stadt scheint zu beben.
Nur am Flussufer, ein paar Straßen von Lius Haus entfernt, ist es still. Die Promenade des Yalu-Flusses ist auf chinesischer Seite hell erleuchtet, an den Bäumen tropfen blaue und rote Lichter zu Boden, rote Lampions zeigen den Weg, die Hochhäuser sind mit farbigen Neonröhren geschmückt. Auf der anderen Seite bleibt es dunkel. Kein fröhliches Lachen, kein Feuerwerk; nicht einmal Straßenlaternen gibt es dort. Am dunklen Ufer des Yalu-Flusses beginnt Nordkorea, das Reich von Kim Jong Un.
Während die Chinesen in dieser Nacht feiern und völlen – Chinese New Year ist ein einziges großes Essen – wird auf der anderen Yalu-Seite gedarbt. Viele der rund 23 Millionen Nordkoreaner leiden noch immer unter Hunger und, in Nächten wie dieser, wo das Thermometer minus 18 Grad anzeigt, unter Kälte. „Die haben dort nur Kimchi und sonst nichts“, sagt Ibell Liu. Kimchi ist eine Speise aus Kohl und rotem Chilli, ein Arme-Leute-Essen aus Korea. Gegenüber von Dandong mit seinen rund 800 000 Einwohnern liegt die nordkoreanische Stadt Sinŭiju. Es gibt dort einen Hafen, eine Schuhfabrik, einen still gelegten Freizeitpark – und Soldaten, die das Flussufer bewachen. Lesen Sie hier die ganze Reportage aus Dandong an der Grenze zu Nordkorea: Viel Licht, viel Schatten.