Langsam, langsam, “gaaanz langsam”, sagt die Chinesin und hält ihrem Sohn, einem schlaksigen Teenager, die Tür auf. Trotz der Ermahnung der Mutter kann es dem jungen Mann offensichtlich nicht schnell genug gehen. “Ich sagte doch langsam!” Der Junge hüpft über die Schwelle der “Sunray Clinic” im Hochhausviertel Pudong; auf Krücken und nur einem Bein. Der rechte Fuß steckt in einem dicken Gips. Der wird heute abgenommen, endlich. Der Junge kann es kaum erwarten. Vor dem gelben Wandbild mit dem großen Schiff in der Mitte wartet schon der Arzt auf ihn, die beiden gehen direkt ins Behandlungszimmer. Die Mutter des Jungen lässt sich seufzend auf das grüne Sofa im Wartezimmer fallen.
Yinjie Guan ging es vor acht Jahren ganz ähnlich. Auch sie saß besorgt im Wartezimmer, während ihr Sohn behandelt wurde. Yinjie Guan war damals auf der Suche nach einem Kinderarzt und klapperte deshalb in ganz Shanghai Kliniken und Praxen ab. “Ich habe nichts passendes gefunden”, sagt die 49-Jährige, “es gab nur Kliniken für Erwachsene, für reiche Ausländer, aber keine Spezialisten für Kinder.” Die Chinesin schaltete schnell und eröffnete nach kurzer Zeit ihre eigene Praxis. Heute hat sie drei Kliniken in Shanghai. Die neueste ist gerade ein paar Monate alt, schon nach acht Wochen waren die laufenden Kosten gedeckt. “Ich bin selbst überrascht, wie gut der Start lief” sagt Yinjie Guan. Knapp 3000 ihrer rund 30.000 Patienten in Shanghai kommen jeden Monat, die Termine sind schnell ausgebucht. Yinjie Guan will deshalb weiter expandieren: “Der chinesische Gesundheitsmarkt birgt ein riesiges Potenzial”, sagt sie, “mehr und mehr Leute investieren in eine bessere Versorgung.”
Die frühere Investmentbankerin ist nicht die einzige, die den chinesischen Gesundheitssektor für Erfolg versprechend hält. Bis 2020, so eine aktuelle McKinsey-Studie, soll der Markt ein Volumen von einer Billion Dollar erreichen. Das Reich der Mitte ist McKinsey zufolge einer am stärksten wachsenden Gesundheitsmärkte weltweit, 2011 stiegen die Ausgaben auf über 357 Milliarden Dollar. Schon jetzt ist China der drittgrößte Markt für Medikamente und Medizinprodukte. Det Norske Veritas, einer der weltweit größten Gesundheits-Zertifizierer, rechnet denn auch damit, dass sich die Zahl der privaten Krankenhausbetten in China in den kommenden drei Jahren auf 600.000 verdoppelt. Chinesische Gesundheitskonzerne, aber auch ausländische Unternehmen investieren deshalb kräftig – in neue Krankenhäuser, in Praxen, in Pharmafabriken.
Dennoch ist der chinesische Gesundheitssektor kein einfaches Terrain – er wird stark vom Staat kontrolliert; noch ist der Großteil der Chinesen nicht bereit, mehr als unbedingt nötig für Gesundheit auszugeben. Viele internationale Anbieter richten sich daher an Ausländer und reiche Chinesen. Unternehmensgründer wie Yinjie Guan müssen ihre Nische finden. Lesen Sie hier den ganzen Text: Goldgrube Gesundheit.