Ganz schön chinesisch hier! Kleine, heruntergekomme Läden säumen den Weg, Elektroroller flitzen vorbei. Viele von ihnen sind notdürftig mit Klebeband geflickt. Auf der schottrigen Straße in Hongqiao stehen große Pfützen. Am Horizont sind Schemen zu erkennen; es sind schnell hochgezogene Wohnblocks, deren Proportionen im trüben Licht nur zu erahnen sind. Das rostrote Gebäude, die Nummer 399 in der Gao Guang Road, ist eines der wenigen, das in gutem Zustand ist. Hier residieren die Deutsche und die Französische Schule in Shanghai. Schon in der Empfangshalle beschleicht den Besucher das Gefühl, Klein-Deutschland zu betreten: Der Boden leuchtet, so sauber ist er, die Flure sind hell, alles scheint geordnet. Im oberen Stockwerk montieren ein paar Schüler eine Ausstellung, „Grün” ist das Thema.
Marc Vehlow kann die Aufbauarbeiten von seinem Büro aus überblicken. Der 39-Jährige ist stellvertretender Schulleiter und unterrichtet Biologie und Sport. Nach Shanghai ging der Berliner aus freien Stücken, waren die Aussichten doch mies, als er mit dem Referendariat in Spandau fertig war. „Die Bezahlung in Berlin im Vergleich zu anderen Bundesländern war deutlich schlechter“, sagt Vehlow, ein aufgeschlossener, sportlicher Typ mit Halbglatze, „das System erschien mir sehr träge.“ Vehlow unterrichtete eine Zeitlang in Spandau, stellte dort aber fest, dass „das Potenzial junger Kollegen in Berlin nicht abgerufen wird.“ Er fackelte nicht lange und schaute sich nach Alternativen um – nicht in Deutschland, sondern im Ausland. So landete Marc Vehlow 2009 in Shanghai, wo er erst Fachkoordinator für Sport und später stellvertretender Schulleiter wurde. „In Berlin hätte ich das aufgrund meines Alters gar nicht erst ins Auge gefasst“, sagt Vehlow heute und lacht. Es ist unschwer zu erkennen: Der Berliner ist froh, dass er so viel Verantwortung bekommen hat. Lesen Sie hier, warum auch seine Kollegin Iris Wagner den Schritt nach China wagte – und was amerikanische Lehrer an chinesischen Schulen erleben.